„Bitte nicht“: Bauen Sie niemals einfach „mal schnell ne App“
Viele denken, damit wären sie ganz schnell ganz vorn bei der Digitalisierung dabei und täten ihrem Unternehmen, seiner Marke, oder gar ihren Kunden (!) einen Gefallen. Hier ein Beispiel dafür, dass der Schuss schnell mal nach hinten los gehen kann:
Prozessvereinfachungen…
ich LIIIIEEEBE sie heiß und innig und war GANZ schnell dabei, als der neue Lieferservice einer großen Supermarktkette auch bei uns im ‚urbanen‘ 😉 Starnberg verfügbar war.
Kernstück – logisch – eine App
Die App ist soweit wirklich gut gemacht und relativ einfach bedienbar.
Als das erste Mal unsere Einkäufe knickeknackefrisch vor der Tür standen, da war ich verliebt.
Beim zweiten Mal feierte ich mich für die freie Zeit, die ich an einem Freitag abend statt mit Einkaufen mit einem Sundowner am See verbrachte.
„SO stellt man sich das vor!“
Das dritte Mal…. lief schief – gründlich schief
- Die Lieferung sollte an einem Samstag bis 15:00 da sein. Doch der Mensch mit dem Zeug – kam nicht. („Mami, der Mann mit dem Koks ist da“). Gut, er hatte noch Zeit.
- Ich rief an. Keiner wusste, wo was derzeit ist und auch nicht, wie man das rausfinden könnte. Ich wurde beschwichtigt: Kommt schon noch.
- 19:30 (5h nach Ablauf der Lieferfrist) war dann klar: Das hatte nicht funktioniert.
- Die Dame am „Service-Telefon“ lach* „konnte auch keinen mehr erreichen“… Ach. Was. Spitze.
Was folgte war ein ziemlich übereilter Ritt in den nächstgelegenen Supermarkt – 19:50 ist eben schon ein bisschen knapp. 😉
Bereits am Dienstag drauf – 3 Tage später! – bekam ich eine „Upps, hat wohl nicht geklappt“ – Mail.
Kein Ausgleich, nix.
Sooo eine schöööööne App.
Und dann kein robuster Prozess dahinter.
Hier ist ein Geheimnis:
User Experience passiert offline genauso wie online.
Was tut das für die Marke?
Die Wertschätzung dafür geht erst steil nach oben, dann steil nach unten.
Nicht gut. Besser wäre stattdessen: Es lassen.
Oder: So flexibel zu sein, dass – wenn man über einen Bug gestolpert ist – und das wird man – eine gute Kompensation anbietet.
DELIVERY ist das wahre Erfolgsgeheimnis!
„Delivery“ meint, den Prozess aus Kundensicht, nicht aus Unternehmenssicht (!) gut abzu’liefern‘.
Wir können das auch
- Customer Journey,
- Touchpoints oder
- Moments of Truth nennen.
All diese Begriffe meinen letztlich an dieser Stelle das Gleiche:
Der Teufel steckt letztlich im Detail.
Diese Details müssen vorgedacht, geprüft, robust gemacht werden.
An den Stellen, wo das sogar vielleicht wirklich nicht geht (eine nicht funktionierende Lieferung hätte man als Worst Case Szenario allerdings schon mal vordenken können), vorab dafür sorgen, dass sich jemand genau darum asap kümmert.
Googlen Sie mal ein wenig genauer danach, wie blitzschnell Tesla z.B. reagiert, wenn sich jemand mit einem Problem per Twitter an den Chef wendet.
Um noch eine Spur deutlicher zu werden:
Diese Art der flexiblen Problemlösung ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Silicon Valley und Deutschland. Nicht das Glatze- und schwarze-Rand-Brillen tragen.
Eine solche Reaktionsgeschwindigkeit ist eine Erwartung, die mit dem digitaleren Verhalten des Unternehmens als neue Anspruchshaltung der Kunden an das Unternehmen mitwächst. Der Kunde denkt sich schlichtweg:
„Nun, sie kriegen sowas ‚Modernes‘ hin wie eine gute App, da werden sie noch hinkriegen, dass der ‚gute alte‘ Prozess, etwas geliefert zu kriegen, auch funktioniert.“
Sich in der Digitalisierung zu bewähren ist also nicht eigentlich eine Frage von Code, sondern von robusten Prozessen mit guten Plan Bs – wie in der guten alten Zeit auch.
Was hätte 1905 der Tante Emma Laden getan;
wenn durch einen Fehler des Lieferjungen die Kundin im Nachbardorf ihre bestellten Backzutaten für die Feier abends nicht bekommt?
Unser Buch-TIPP dazu:
Richard Bransons „Business Stripped Bare“ ist zum Thema „Delivery“ zeitlos eins der besten Business Bücher, die ich je in der Hand hatte. Leider nicht auf Deutsch erhältlich, am besten auf Kindle lesen und ab und an mal die Nachschlagfunktion nutzen.
Die vielen kleinen Details, die dafür sorgen, dass es WIRKLICH funktioniert, die machen es aus.
In KMU funktioniert das übrigens oft scheinbar ‚von allein‘. Natürlich stimmt das so nicht, sondern hat seinen Ursprung im liebevollen Kümmern der InhaberInnen hat, die alles und jedes im Blick behalten und hier mal was nachrücken, dort mal was nachbessern (s. der Tante Emma Laden).
Wo haben Sie schon erlebt, dass Digitalisierung nach hinten los ging?
Woran hing es?
An welche digitalen Mehrwerte würden Sie sich gern für Ihre Kunden wagen?
Wenn Sie einer Ihrer Kunden wären: Welche Befürchtungen hätten Sie dazu? Und wie können Sie diese entkräften?
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