Innovation Leadership 7/7: Durchhalten, Endspurt, Ankommen!
Was uns auf dieser (letzten!) Wegstrecke erwartet
Jetzt: Durchhalten, Endspurt, Ankommen!
- Hurra – wir haben versagt!: Gut fallen + rasch wieder aufstehen – wenn aufgeben, dann gründlich.
- Für Entlastung sorgen: Reduktion auf das Wesentliche – Schwammigem Form geben – die Küche auf Null stellen – Verstärkung holen – für die Mülltonne arbeiten.
- Jetzt nicht bequem werden: Eine Ecke weiter fahren.
- Die Welle reiten, wenn sie da ist.
- Endverschlechterung: Der große Nebel.
- Happy End
Durchhalten, Endspurt und Durchgrätschen!
Kurz vor dem Happy End heißt es, Beißer-Qualitäten zu beweisen. Zum einen kann es grundsätzlich sein, dass wir in einem Weg, den wir eingeschlagen hatten, wirklich keine tollen Ergebnisse haben. Versagen gehört zum Innovieren dazu – Wiederaufstehen macht den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern.
Um diese letzten Meter gut zu überstehen, müssen wir uns nochmal richtig auf das Wesentliche konzentrieren, wir dürfen es uns nicht zu früh bequem machen, nicht zu früh aufgeben. Unangebrachter Perfektionismus kann jetzt zur Pest und zur entscheidenden Verzögerung werden – wenn wir ihn gewähren lassen.
In dieser Phase begegnen wir häufig noch einer Art Kurz-vor-Schluss-Verschlechterung, bevor sich alles in Wohlgefallen auflöst: Die perfekte Welle kommt, wir grätschen voller Glück in den Zielbereich durch, feiern das Ergebnis und uns, bedanken uns bei allen und sind glücklich!
Ok, bevor wir jetzt schon in einen Freudentaumel verfallen, machen wir uns auf, die letzten Meter munter zu begehen!
Hurra – wir haben versagt!
Innovation braucht Versager
Innovation ist für (gute) Verlierer gemacht. Für sogenannte Verlierer und Versager, die einmal mehr aufstehen, als sie hingefallen sind. Innovation ist ein Prozess, der aus einer Abfolge von vergeblichen Versuchen besteht, der dann – mit etwas Glück – schlussendlich von DEM gelungenen Versuch gekrönt wird. Dieser letzte, gelungene Versuch wird dann als Overnight-Erfolg gefeiert und völlig verdrängt, dass wir das Ergebnis eines langen Versuchsprozesses beharrlicher Menschen vor uns haben.
Wer bis dort hin, zur erfolgreichen Innovation, kommen will, muss damit leben können, vorher etliche Fehlversuche am eigenen Leib zu erleben, sie sogar selbst verursacht zu haben. Im Kontrast zu dieser Anforderung der Innovation sind wir in unserer heutigen Wirtschaftskultur darauf getrimmt, möglichst keine Fehler zu machen und wenn doch, diese nicht einzugestehen. Ironischerweise bauen aber viele Innovationen sogar unmittelbar auf Fehlern auf. Nur wer sich mit offenem und unverstelltem Blick näher heranwagt, sich neugierig fragt, ob dieses Fehlergebnis nicht ein Glücksfall sein könnte, wird ihn gegebenenfalls erkennen.
Mit dem Anspruch zu handeln, dass auf dem Weg zum Markterfolg keine Misserfolge passieren dürfen, heißt, keine Innovation zuzulassen. Zwar ist es nicht völlig auszuschließen und statistisch möglich, dass man direkt beim ersten Versuch einen Hit landet, mit systematischer Innovationsfähigkeit hat das nichts zu tun. Wir haben es dann mit dem klassischen 1-Hit-Wonder zu tun, das nie wieder reproduzierbar ist.
Definieren wir ‚Versagen‘ also neu:
Nur dann, wenn wir es gar nicht erst versuchen, dann haben wir versagt.
Und zwar heute schon.
Schon der Versuch ist ein Erfolg in sich.
Mit jedem Fehlversuch sind wir der Lösung einen Schritt näher.
Feierlich beerdigen?
Bei einer Innovation wissen wir erst hinterher, wie viele Versuche oder wie viele Schritte für den Erfolg notwendig sind. Es gibt ja nirgends ein Etikett, auf dem die magische Einwirkzeit der Idee draufsteht. Wir können nur Hinweise darauf sammeln. Nur weil Edison nach wie vor die riesige Chance vor Augen hatte, wenn es doch noch gelänge, konnte er das Durchhaltevermögen haben, diese langen Versuchsreihen durchzuführen, bis sein gewünschtes Ergebnis eintrat. Hätte er aber bei Versuch Nr. 999 abgebrochen, DANN hätten er und sein Team „versagt“. Wäre das nicht tragisch gewesen?
Versagen hat in einer „Null-Fehler- / Six-Sigma“-Kultur kein gutes Standing. Keine „Fehler“ zu machen kann jedoch ausschließlich in einem schon bekannten Prozess wünschenswert sein. Dann geht es um Maintenance, um Effizienz bei schon existierenden Dingen und Abläufen. DORT – aber auch nur dort – ist sie gut aufgehoben.
Für Innovation sind Fehlversuche und Versagen eine absolute Notwendigkeit. Auf dem Kompost der Versuche und nicht verwendeten Ideen entstehen die wirklich exotischen neuen Innovationspflanzen.
Es kann sein, dass wir unser Ziel nicht erreichen. Der Weg hat woanders hingeführt, die Idee, die wir verfolgt haben, hat sich als nicht so erfolgreich entpuppt wie wir dachten. Blöd, aber möglich.
Wenn das so ist, dann ist es wichtig, dass wir durchschnaufen, Pause machen, aber auch wieder direkt aufs Pferd steigen.
Die Erfahrungen, die dabei gesammelt wurden, sammeln sich wie ein fruchtbarer Kompost, auf dem die neuen Ideen noch besser gedeihen können. Man weiß auch nie, welche Kontakte und Informationen, Erkenntnisse einem bei einem neuen Versuch nicht noch hilfreich sein werden.
Wenn wir ein Innovationsprojekt beerdigen, dann:
- Immer erst den konkreten Weg,
- dann die Idee,
- dann das Ziel,
- erst ganz zum Schluss die Absicht opfern und begraben.
Und das mit ehrlichem Abschiedsschmerz und allem Drum und Dran! Wie wäre es mit einer New Orleans Kapelle dafür?
Wer gut fällt, fährt schnell wieder
Versagen, Fallen und Wieder-Aufstehen wieder zu erlernen gehört zum Innovations-Sport. Beim Sport ist es ähnlich: Wer gut fallen gelernt hat, verletzt sich weniger, ist flexibel genug den Aufprall abzupuffern, steht schnell wieder auf und fährt weiter. Fallen lernen in überschaubaren Situation befähigt uns, in wirklicher Gefahr gute Reflexe zu haben.
Viele kleine Risiken selbst-provozierten Hinfallens einzugehen, ist paradoxerweise mit die beste Absicherung gegen den spontanen Fall aus größerer Höhe. In einer Innovations-Organisation ist es deswegen lebenswichtig, das Fallen, den Fehler und das Versagen aktiv nicht nur zuzulassen, sogar anzuerkennen.
Denn derjenige, der gefallen ist, der verloren hat, der etwas nicht geschafft hat, der HAT etwas riskiert, er hat nicht nur darüber geredet, er hat es gewagt, gemacht, er war mutig. Genau das ist es, was wir brauchen, um das scheue Wesen „Innovation“ aus der Ecke zu locken.
Die fehlende Möglichkeit, so zu arbeiten, macht Innovation in vielen Unternehmen heute so schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Unsere Aufgabe als Leader ist es dann, sowohl sich selbst das Versagen zu erlauben und zuzugestehen als auch unseren Kollegen und Mitarbeitern. Wenn uns das gelingt, werden unsere Mitgestalter sich wieder aus ihren Schneckenhäusern trauen.
Im großen Zusammenhang sind wir als Leader dafür zuständig, dafür zu sorgen, dass dabei nichts wirklich Entscheidendes zu Bruch gehen kann. JA!, es wird was kaputt gehen! JA!, es werden Gläser zerbrochen werden. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das teure Familiensilber nicht kaputt geht, weil wir es gut weggeschlossen haben. Wie tragisch ist es wirklich, wenn mal ein paar Ikea-Gläser zu Bruch gehen? Sie sind wieder ersetzbar.
Versager-Magie
Es geht nicht darum, Versagen nicht einzugestehen, es geht darum zu sagen:
„Uppps, ich bin gefallen. Mist. Naja, dann muss ich wohl weiterüben.“
„Wenn ich mal fallen sollte, schüttle ich mich kurz, stehe auf und gehe weiter.“
„Wer nicht fällt, hat nicht genug riskiert.“
„Wer nicht fällt, hat nichts gelernt.“
Alleine: „Ich hab versagt! Ich war ja so ein Looser! Mann, hab ich das vermasselt!“
Oder auch in der Team-Version : „Wir haben sowas von versagt! Mann, ist das in die Hose gegangen! Das haben wir mal richtig in den Sand gesetzt!“
Reduktion auf das Wesentliche
Konzentration auf das Wesentliche
Nein, hier kommt jetzt nicht das übliche „Sie müssen halt besser priorisieren!“
Wenn ich sehe, wie ratlos nach einem solchen Satz alle schauen, weil sie nach wie vor nicht wissen, was sie mit ihren 10 To Dos mit ‚Prio A‘ jetzt anfangen sollen, kann das nicht so hilfreich sein.
Als ich anfing, dieses Buch zu schreiben, fuhr ich teilweise mit zentnerschweren Taschen von A nach B, Bücher, Notizbücher, Laptop…..und so weiter. Ich war unterwegs wie ein bepacktes Wüstenkamel. Eine Zeitlang hatte das seine Berechtigung, denn ich war in einem Sammelmodus.
Irgendwann kam jedoch der Punkt wo ich es widersinnig fand, wie ich durch dieses Innovationsbuch an mein Laptop und diesen Materialhaufen „gefesselt“ war. Ich hing melancholisch seufzend Tagträumen nach, wie Hemingway damals einfach mit seinem Moleskine-Notizbuch und einem Bleistift im Cafe Deux Magots in Paris gesessen und geschrieben hat…
Da war klar: Nun ist der Moment für die Konzentration auf das Wesentliche gekommen. Ich nahm nur das Notizbuch und den Stift und schrieb einige WESENTLICHE Seiten dazu, was eigentlich dieses Buch hier ausmachen soll.
Die entscheidende Frage ist also:
„Wenn ich X wegnehme, ist dann das worum es mir geht, noch da?“
„Wenn ich bei leerem Tisch anfange – worum geht es wirklich?“
Damit grenze ich allen Schnickschnack ab. Ich vertraue darauf, dass das Wesentliche sich schon in meinem Kopf festgesetzt haben wird.
Manchmal passiert es ironischerweise, dass wir von außen gezwungen werden, uns auf das Wesentliche zu reduzieren. Da stürzt dann die Präsentation, die gerade fertig war, richtig deftig ab. Nichts zu machen, die Daten sind weg. Das ist nicht schön – aber die viele Mühe vorher, die Tabula Rasa jetzt, sowie die Zeitbeschränkung nach vorn hin, sorgen gar nicht so selten für ein richtig gutes Ergebnis. Weil wir uns auf das Wesentliche beschränken.
s. auch „Die Küche auf Null setzen.“
Reduktion in der Handlung
Mercedes-Benz hatte, als sie mit dem neuen ‚Smart‘ an den Start gingen, den schönen Slogan: „Reduce to the max“. Davon mal abgesehen, dass ich den klasse fand, beschreibt er ein nützliches Handlungsprinzip:
Sich an bestimmten, unwesentlichen Stellen reduzieren, um anderen Dingen mehr Kraft oder Raum zu geben.
Die gedankliche Konzentration auf das Wesentliche muss von einer anderen Art zu handeln begleitet werden, sonst ist sie witzlos.
Ein Beispiel: Wenn ich ein Buch schreibe, kann es stellenweise helfen, mich gezielt zu beschränken. Indem ich beispielsweise nur mit dem Notizbuch und einem Stift an einem klitzekleinen Café-Tisch sitze. In dieser reduzierten Situation kann ich nicht an dem kleben bleiben, was in anderen Büchern steht oder in meinen 7 Kilo Notizen. Meine Gedanken, Ideen und Intuitionen erhalten wieder die Priorität, die sie brauchen, um möglichst klar zu Tage zu treten.
Die Beschränkung holt uns aus der Komfortzone raus. Sie lässt uns nach neuen Lösungen suchen und öffnet – wenn wir wirklich eine Lösung wollen – die Augen für vorher nicht Wahrgenommenes.
Reduktion verhindert Überlastung
Sie haben eine Superidee. Die Idee ist so super, dass allen irre viel einfällt, was man damit machen kann – hier noch eine Kooperation, da eine Produkt-Extension. Alles wird notiert und festgehalten. Dann folgt Ratlosigkeit: „Oh mein Gott – wie sollen wir das alles hinkriegen? Jemals!?“ Dann ist es Zeit für einen Cut. Entscheiden Sie sich an diesem Punkt wieder bewusst, vom Sammeln aufs Filtern umzusteigen. Keine Angst, keine Teile der Idee sollen „getötet“ werden – alles ist ja noch da.
Wir nehmen nur etwas Abstand, damit wir die Bäume vor lauter Wald wieder sehen.
In dieser Endphase ist die Gefahr, sich in Details zu verrennen, wortwörtlich „detailverliebt“ zu werden, mit am größten. Alles scheint schon so zum Greifen nah, da will man wissen, woran genau man ist und alles möglichst gut und gründlich machen, liegt doch gerade Morgensonne in der Luft. Das bringt uns später erst wieder weiter. Jetzt + hier geht es darum zu fragen:
- Wenn ich das hier hinzufüge oder weglasse – ist dann die Idee im Kern noch die, die sie ist?
- Wie könnte eine erste Beta-Version aussehen, die das Wesentliche enthält, aber später gepimpt werden kann?
Das kann zunächst schwer fallen, weil wir uns ZUNÄCHST gegen Einzelteile entscheiden müssen. Es wird einfacher, diese Unterscheidungen zu treffen, wenn wir uns klar machen, dass das nur eine erste Annahme ist, die wieder verändert werden kann.
Jetzt ist der Moment für einen ‚gnadenlosen Ernterückschnitt‘. Damit ist gemeint, einen Baum so in seinen Ästen und Früchten zu bereinigen, dass die Kraft, die der Baum hat, konzentriert in die dann noch vorhandenen Äste und Früchte schießen und eine gute Ernte sichern kann.
Im übertragenen Sinne können wir das ebenfalls anwenden: Welche Äste und Früchte brauchen wir für eine gute Ernte? Welche nicht?
Diese Reduktion ist die wichtigste Voraussetzung, um nicht in Panik zu verfallen, sich das Leben einfacher zu machen und weniger Ressourcen für die Startversion zu brauchen.
Schwammigem Form geben
Eine weitere Anwendung kann die sein, sich durch eine äußere Struktur- oder Formvorgabe zu helfen. Manche Schriftsteller taten das, indem sie die strenge Form des Sonetts wählten.
Für dieses Buch habe ich das so gemacht, dass ich gesagt habe: „Ich möchte, dass man dieses Buch sehr leicht immer wieder in die Hand nehmen kann, punktuell Einzelthemen nachlesen, sich Anregung holen.“ Das hieß, dass die inhaltlichen Portionen voneinander unabhängig formuliert sein müssen. Und eine überschaubare Länge haben. Und das Layout eine bestimmte Anzahl Worte pro Zeile, pro Seite nicht überschreiten sollte. Daraus ist meine hilfreiche Beschränkungsstruktur geworden.
Jede Beschränkungsstruktur leitet sich aus der konkreten Situation ab. D.h. ein geringes Budget oder geringere Zeit kann ein Segen ‚in disguise‘ sein, weil wir uns dann besser auf das Wesentliche konzentrieren.
Produktive Beschränkungsansätze
- Die Idee in einer Collage / Bild zeigen können.
- Es einem Kind erklären können.
- Elevator Pitch.
- Einen Slogan für die Idee erfinden.
Hilfreiche Fragen:
- Wenn ich ohne alles dasitze – was ist das Wesentliche?
- Wenn ich jetzt bei Null starten würde, worum geht es? Inzwischen?
Weitere Möglichkeiten:
- Ggf. die Absicht nochmal prüfen und korrigieren.
- Bewusst mit Abstand auf die Situation blicken.
- Neue Erkenntnisse darauf durchdenken, ob sich dadurch Grundlegendes in Zielen oder möglichen Wegen geändert hat.
- Völlig unbelastete Personen dazu holen, (vertraulich!) Meinungen einholen – jetzt ist der Moment dafür!
Die Küche „auf Null setzen“
Ich war mal bei einem Kochkurs bei einem tollen Koch – und dort habe ich gelernt, dass BEVOR es richtig los geht, erst einmal die „Küche auf Null gestellt“ sein muss. D.h. alle Arbeitsflächen sind frei, alle Werkzeuge vorhanden, griffbereit und direkt benutzbar. Dann kommen die Materialien dazu, mit denen man heute und hier kochen will.
Ein Menü besteht aus mehreren Gängen und diese werden vorher im Ganzen konzipiert, allen Leuten in der Küche wird das Ganze vorgestellt, dann macht sich jeder an seinen Part – der eine an die Vorspeise, der nächste an die Hauptspeise – wiederum andere ans Dessert.
Nach dem Abend wird die Küche wieder ‚auf Null gesetzt‘ – und am nächsten Tag kann wieder mit klarem Kopf das Neue angegangen werden.
Übertragen wir das, in dem wir uns fragen:
- Wie können wir für klare Zeitabschnitte sorgen?
- Wie schaffen wir wieder Raum für das Neue?
- Wie kann ich auf meiner aktuellen Arbeitsfläche unbelastet von allem, was gestern war oder morgen sein wird, wieder loslegen?
- Was braucht es dafür?
Für die Mülltonne arbeiten – mit Absicht!
Haben Sie besonders in der Endphase eiskalt den Nerv, halbgare Dinge wieder wegzuwerfen und nochmal frisch zu starten. Wenn man an einem Punkt einfach nicht weiter kommt, sollten Sie zwei Punkte prüfen:
„Haben wir anfangs implizite Annahmen getroffen, die uns jetzt am Weiterkommen hindern?“*
Wenn ja = ab mit diesen Annahmen in die gedankliche Tonne.
„Wenn wir heute nochmal ganz neu starten würden, was wäre dann das Wesentliche?“
Schließlich sind wir inzwischen deutlich schlauer geworden.
Im Team tut man sich oft schwer, so etwas zu tun – aus vermeintlichem Respekt und Höflichkeit. Daher sollte allen vorher klar sein, dass so etwas passieren kann – und dass es nicht heißen muss, dass die gesamte Gestaltungsidee plötzlich schlecht ist. Sondern nur, dass wir sie frisch, mit erweiterten Möglichkeiten, angehen. Damit wir uns auf das Heute und hier Wesentliche konzentrieren können.
* Das ist übrigens ein Erfahrungswert meines Bruders Dirk, der das bei Software-Entwicklungsprojekten als einen Knackpunkt identifiziert hat.
Eine Ecke weiter fahren
Eine Ecke weiter fahren – besonders, wenn’s bequem ist
Beim Reisen ist ein simples Rezept zum Mehr-Spaß-Haben-für-weniger-Geld die ‚eine Ecke weiter‘ zu fahren. Wenn Sie die oberitalienischen Seen besuchen wollen, fahren Sie ruhig nach Como – wie alle anderen. Und dann fahren Sie einfach noch 30-60 Minuten weiter nach Lecco. Das ist kein großer Aufwand, nicht wahr? Plötzlich sind wieder mehr Italiener da, das Essen besser und günstiger, alles nicht so überfüllt… Dieses Grundprinzip habe ich X-fach ausprobiert, und es funktioniert fast immer.
Auf die Innovation übertragen heißt das:
Denken Sie die eine Ecke weiter als der Wettbewerb. Trauen Sie sich da hin, wo die Dinge noch nicht offensichtlich sind.
Ein weiteres Verdachtsmoment: Wenn es zuuu bequem und einfach ist, ist etwas falsch. Dann sollten wir lieber nochmal Widerstand und Reibung suchen.
„Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“
Johann Wolfgang von Goethe
Eine Ecke weiter warten echte Belohnungen
Die eine Ecke weiter bringt uns nämlich Folgendes:
- Mehr Authentizität – für das, was Sie entwickeln.
- Günstigere Preise – weil Sie die Dinge etwas anders machen als die anderen.
- Weniger Konkurrenz um die besten Plätze – sowohl im Café als auch im Markt.
- Mehr Qualität fürs Geld – die können Sie dann an Ihre Kunden als Mehrwert weitergeben.
- Dinge, die es sonst so nicht gibt – Inspiration, Neues, Innovationen eben.
Im Englischen gibt es ja den Ausdruck des „Go the Extra Mile“. Das wird meist so verwendet, dass es darum geht, sich die eine Spur mehr anzustrengen als die anderen, etwas mehr Bemühung, Aufwand, Schweiß reinzustecken. Das meine ich damit NICHT. Häufig ist diese ‚Extra Mile‘ ja gar nicht so anstrengend, zumal keiner gesagt hat, wie schnell man das machen soll. 🙂 Mir geht es darum, dass wir uns nicht so schnell zufrieden geben, wie es eben die anderen – der Wettbewerb – tun.
Gehen Sie weiter. Schauen Sie um die nächste Ecke. Lassen Sie sich von Ihrem Instinkt leiten. Machen Sie das erst recht, wenn es darum geht, neue und andere Lösungen zu finden.
Gerade neulich ist mir genau dieser Effekt wieder passiert: Mein Mann und ich waren in Berlin auf Fahrrädern unterwegs. Wir wollten Frühstücken gehen und da wir hungrig waren, waren wir zwischenzeitlich kurz davor, uns mit einem mittelmäßigen Café an der Touri-Meile zufrieden zu geben.
Genervt und unterzuckert zogen wir doch noch eine Ecke weiter, weil wir schon ahnten, hiermit würden wir niemals glücklich werden.
Und was war um die nächste Ecke? Spreestrand, ein wunderbares Café mit selbstgemachten Kuchen und frisch gebackenen Croissants – eine echte Oase.
Eine Ecke weiter eben. Genau das meine ich. Tun Sie es einfach. Sie landen automatisch an Orten in der Welt und im Markt, an denen sich nicht schon die anderen alle balgen. Und damit sind Sie automatisch innovativer als der Rest.
Der grosse Nebel
Endverschlechterung: Der große Nebel
Kurz vor Schluss gibt es oft eine Art Endverschlechterung. Ratlos steht man im Nebel und weiß nicht weiter. Dann hilft Folgendes:
- Sich fragen: Ist das wirklich der einfachste Weg?
- Reduktion aufs Wesentliche, regelmäßig.
- Küche auf Null setzen.
- Klare Zeitabschnitte setzen, KEIN Mikro-Management (= Detailverliebtheit als Schein-Sicherheit).
- Dem Perfektionismus ein Schnippchen schlagen: Jetzt der Versuchung widerstehen, alles noch mit der Zahnbürste polieren zu wollen! Lieber 80% und in der Realität existieren als 100% anstreben und nie ans Licht der Welt kommen!
Die Welle reiten
Die Welle reiten, wenn sie kommt
Beim Wellenreiten braucht es zwei unterschiedliche Modi, um gut mit den Wellen umgehen zu können: Einen, in dem ich das Gelände sondiere, Fähigkeiten und Kraft aufbaue, flexibel bleibe und die Augen für Möglichkeiten offen halte. Und dann den anderen Modus, der, wenn die Wellen dann kommen, schlagartig die Kraft zur Verfügung stellt, alle Kraft auf einen Punkt konzentriert, und mit vollem Einsatz auf das Ziel losgeht. Wenn die Wellen dann kommen, nehmen wir diese auch mit. Flexibilität und die Bereitschaft, dann alles stehen und liegen zu lassen, sind jetzt gefragt. Aber NUR dann! Wenn wir das ständig tun, haben wir sonst im entscheidenden Moment die Kraft, um uns die Welle zu erpaddeln, nicht mehr. Wir können nicht beeinflussen, wann die Wellen kommen. Wir müssen die Grenze zwischen dem, was ich persönlich beeinflussen kann und dem, was ich der Welt, dem Wachstum und dem Prozess überlassen sollte, ziehen und akzeptieren.
Sonst mache ich mich verrückt.
„Ich schaffe die Voraussetzungen und lasse den Rest voller Zuversicht geschehen.“
Happy End
Magie-Check für diese Wegmarke
Wow – Zeit, durchzuschnaufen und innezuhalten! Auf dieser letzten Wegstrecke haben wir nochmal richtig viel geleistet:
Falls notwendig:
- Haben wir eine Idee, die nicht leben wird, begraben – aber nur als letzte Option!
- Sind gestärkt daraus vorgegangen – wir haben Fallen gelernt.
Hoffentlich aber haben wir die letzten erfolgreichen Schritte gehen können:
- Wir haben uns und unsere Energie nochmal auf das wirklich Wesentliche konzentriert,
- den Nerv gehabt, Unnötiges hinter uns zu lassen,
- obwohl wir gern ausgeruht hätten, sind wir noch die eine Ecke weiter gefahren,
- haben den letzten großen Nebel durchschritten,
- die Erfolgswelle gesurft, als sie kam.
Letzter Magiecheck erfolgreich = angekommen!
Glückwunsch!
Wir sind die sieben Teilstrecken des Wegs erfolgreich gegangen, die Magie hat gewirkt – immerhin haben wir unterwegs die Innovations-Wurzeln gestärkt und uns von ihnen helfen lassen. Heute ist unsere Absicht zur Realität geworden. Zeit zum Feiern! Bis wir hierhin kommen, kann es in der Realität Jahre dauern, in denen wir die anderen Stationen immer wieder durchlaufen. Wer es bis hierhin geschafft hat, musste wahrscheinlich mehr als einmal seinen Mut zusammennehmen und ist schon deswegen eine Heldin oder ein Held. Und jetzt?
1. Kräftig feiern!
2. Allen Mitgestaltern ‚Danke‘ sagen!
…und dann? Dann geht’s weiter an den Übergang von Innovation zum Standardbetrieb. Vom Einzelfall zu Multiplikation. Das ist aber ein anderes Buch…
Ein letzter Buchtipp: Michael Gerber – „Das Geheimnis erfolgreicher Firmen“ handelt davon, wie man vom Einzelfall zur erfolgreichen Multiplikation gelangt.
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