Die rauchenden „Influencer“ von damals – warum es funktioniert hat und auch heute noch funktioniert
Diesmal haben wir uns zwei Zigarettenwerbung mit „Influencern“ angeschaut.
Nein, wir sprechen natürlich nicht von YouTubern und dergleichen, sondern von einflussreichen Menschen, in diesem Fall von Schauspielern, die der Marke ihr Gesicht leihen. Also ein Prominenten-Testimonial, wie es sie heute noch gibt.
Bevor wir hier zu viel verraten, werfen wir einfach einen Blick darauf.
Unsere erste Vintage-Anzeige:
Robt. Verbrannte Zigarillos / Lauren Bacall & Humphrey Bogart als Testimonials
Stephanie: Lauren Bacall und ihr Mann werben für Zigarillos. Was fällt Ihnen zuerst ins Auge, Kristin?
Kristin: Dieses Motiv fängt spannend an: Lauren Bacall, Weltstar und eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen der Goldenen Ära (!), macht Werbung – und dann steht ihr Name nur in Klammern da. Der Schwerpunkt liegt auf „Mrs. Humphrey Bogart“.
„Ich liebe es, einen Mann einen Zigarillo rauchen zu sehen“
was ein bisschen sagt: „Ja, Mädels, so hat er mich gekriegt. Ich dachte nur, seine Zigarillos wären sexy.“ *lacht*
Stephanie: Nun, sie war 25 Jahre jünger als er. Sicherlich war es damals der Traum vieler Männer, eine solche junge Frau zu „bekommen“. In dem kleinen Text wird dies auch noch einmal verdeutlicht: Lauren Bacall spricht für „stilbewusste Frauen überall“ und „von einem weiblichen Standpunkt aus“, wenn sie für diese Zigarillos wirbt.
Kristin: Ja, sie soll sie nicht selbst rauchen, sondern zeigen, wie attraktiv es ist, wenn ER die Zigarillos raucht. Die Botschaft ist klar:
Die Männer, die DIESE Marke rauchen, sind also diejenigen, die Lauren Bacall und Co. beeindrucken können.
Das ist im Grunde das „Narrativ“, die Geschichte, die hier erzählt wird.
Bemerkenswert ist auch die Art und Weise, wie der Text formuliert ist
„Köstlicher Rauchgenuss in einer Form, schlank und handlich wie eine Zigarette“.
Natürlich bezieht sich der Ausdruck vorerst direkt auf den Zigarillo, die schlanke Zigarre, die jedoch „männlicher“ ist als die Zigarette. Die Worte selbst könnten auch mit dem Körper der Frau in Verbindung gebracht werden. Vor allem zu dieser Zeit war die „schlanke Form“ das Non-Plus-Ultra der guten Frau.
Hier wird ganz bewusst eine Verbindung zwischen dieser Form und dem Zigarillo hergestellt. Ein bisschen wie der Pawlowsche Hund. Der Zigarillo ist die Glocke, das Essen ist die Frau, und irgendwann wird die Assoziation zwischen beiden automatisch hergestellt.
Stephanie: Die Erzählung spiegelt sich sogar im Bild wider, nicht wahr?
Humphrey hat bildlich gesprochen das Steuer in der einen und den Zigarillo in der anderen Hand. Er ist der Chef.
Lauren Bacall hingegen sitzt dekorativ und leicht bekleidet auf der Kante ihres Sitzes und lächelt mit einer Portion Schlafzimmerblick in die Kamera. Nagellack, Make-up, Wespentaille und Föhnfrisur: alles ist an seinem Platz, keine Spur von Wind oder körperlicher Aktivität. Sie spielt keine aktive Rolle auf dem Schiff.
Dennoch werden beide ausdrücklich als „erfahrene Seeleute“ bezeichnet.
Kristin: Ja, das Thema Segeln ist ein sogenannter „Determinator“, ein qualitätsgebendes Signal. Im Grunde können sie überall sitzen.
Aber Segeln als prestigeträchtiges Hobby wird mit der Oberschicht assoziiert und wurde hier bewusst als symbolischer Kontext gewählt.
Die Tatsache, dass Lauren Bacall hier als Influencerin eingesetzt wird, dient ausschließlich der Aufmerksamkeit (wie im Verkaufstrichter). Wie ein Köder. Dennoch ist es der Mann, der die Werbung macht.
Stephanie: In unserer nächsten alten Anzeige, ja, es ist ein Mann, sehen wir uns das mal an. Dort haben wir
Ronald Reagan (in seiner Zeit als Schauspieler, vor seiner Präsidentschaft) wirbt für Chesterfield-Zigaretten.
Kristin: Hach, ist das nicht schön!
Ronald Reagan schickt hier die Chesterfields an alle seine Freunde, weil Weihnachten vor der Tür steht. Das ganze Bild schreit „Ich mache Storytelling!“ – sogar noch mehr als das erste Bild.
Der erste Satz, „Ich schicke Chesterfields an alle meine Freunde“, spricht bereits Bände.
Wer auch immer Reagans Freund ist, ist A. ein Raucher und B. raucht Chesterfields.
Völlig natürlich.
Und „das ist das fröhlichste Weihnachten, das ein Raucher haben kann“. – als ob es eine Tatsache wäre. Eine bewiesene Tatsache.
Die Botschaft lautet: Besser als Chesterfield kann man es nicht machen.
Stephanie: In der heutigen Werbung wäre es undenkbar, für Zigaretten in Verbindung mit einer Weihnachtsromanze zu werben!? Die Illustration unterstreicht dieses Gefühl noch. Der ultimative vorweihnachtliche Traum: Geschenke einpacken und Weihnachtskarten schreiben… nur dass es statt Geschenken Stapel von Zigaretten gibt.
Wie absurd aus heutiger Sicht, nicht wahr?
Kristin: Auf jeden Fall! Die Holiday Edition der Zigarettenbar stapelt sich auf seinem Teakholz-Schreibtisch mit den marmornen Buchstützen, glänzenden dicken Büchern sowie der Jägerfigur mit Ente. So sollte es also in einem würdigen Haushalt kurz vor Weihnachten aussehen!
Da sitzt ein Ronald Reagan im Anzug mit Einstecktuch, Krawatte und Manschettenknöpfen zu Hause, top gestyltes Haar, und signiert die Schachteln alle selbst liebevoll (er ist halt ein netter Kerl! ;)) mit „Ronnie“, wie man auf dem einen Etikett sehen kann. Erstens schreit dies förmlich nach „erfolgreichem Mann“, Prestige und Oberschicht, wie auch das Segelboot zuvor – und zweitens ist es einfach wunderbar detailliert und durchdacht!
Natürlich nennen ihn seine engen Freunde bei seinem Spitznamen „Ronnie“ – das macht die Anzeige sehr persönlich. Offenbar hat er so viele enge Freunde, wie sich Kartons stapeln, und ALLE bekommen Chesterfields, weil das DAS beste Geschenk ist, das man sich vorstellen kann. Auch unter dem obigen Text ist seine Unterschrift zu sehen, während er den Stift in der Hand hält und Geschenke beschriftet. Es ist, als hätte er das gerade unterschrieben. Sehr raffiniert arrangiert.
Das ist der gezielte Einsatz von Symbolen in der Erzählung, wie sie im Buch vorkommt – von A bis Z. Einige sind offensichtlich, andere subtil. Zusammen ergeben sie eine wirkungsvolle Werbebotschaft.
Stephanie: Natürlich raucht er selbst eine Chesterfield und lächelt die Verbraucher strahlend an…
Kristin:…mit strahlend weißen Zähnen!
Zähne so weiß wie die Zigarette selbst, die Vorhänge – oder sein Hemd.
Rauchig gelbe Zähne und verfärbte Textilien? Mit Chesterfield nie!
Und das, obwohl er sie offenbar stückweise raucht. Auch das ist Teil der Geschichte, die hier erzählt wird.
Das hat nichts mit den Fakten zu tun, sondern vor allem damit, was der Zuschauer hören will.
Stephanie: Wenn man das Bild sieht, denkt man irgendwie an einen holzigen Geruch, mit ein bisschen Feuer vom Weihnachtskranz und vielleicht backt noch jemand Plätzchen im Hintergrund. Realistisch betrachtet riecht man in diesem Raum nichts – außer der Zigarette in seinem Mundwinkel. Und auch die Zigarette raucht auf dem Bild überhaupt nicht, so dass man nicht an den Geruch denkt.
Kristin: Ja, das bringt uns zum Thema der kreativen Freiheit.
Damals wurde der Realismus nicht allzu ernst genommen – und das musste er auch nicht. Das ist der große Vorteil der Illustration, die übrigens auch heute und auch im digitalen Marketing eingesetzt werden kann – zum Beispiel, um den Fokus auf etwas zu lenken. Die Zigarette raucht nicht, die Schachtel schwebt im Bild wie der übergroße Weihnachtskranz, der in der Mitte des Vorhangs hängt.
Abgesehen davon ist das Arrangement hier eindeutig ein Pro-Job. Das romantische Bild mit vielen Details im Hintergrund, darüber diese persönliche Aussage und darunter der Slogan, der im Vordergrund steht und rechts die große Zigarettenschachtel, dank der man sofort weiß, worum es geht. Schließlich ähneln die Weihnachtsschachteln nicht einmal einer Zigarettenverpackung.
Stephanie: Genau. Das können auch Pralinen oder ähnliches sein.
Kristin: Ein letztes Detail: Reagan durfte auch seinen Aufruf zum Handeln einbringen. Werbung für seinen neuesten Film. Auch bei Bacall und Bogart stand schon drin, in welchem Film sie mitspielen. Das war damals völlig normal und ist in den USA immer noch weiter verbreitet als hier.
Wenn ein Star in einer Talkshow auftritt, verweist er ständig auf den neuen Film oder das neue Album. Das ist hier in Deutschland nicht ganz so ’normal‘. Die Deutschen haben ein anderes Verhältnis zur Werbung – für uns wird alles, was Werbung ist, schnell als zu viel empfunden.
Ein Amerikaner würde den CTA (Call to Action) als das logische Recht des Fachmanns wahrnehmen.
Die Vintage Ads auf einen Blick:
Tipps für digitales Marketing für heute und hier
Welche Marketingmethoden funktionieren hier so gut?
Storytelling, Symbole, sozialer Beweis, der Influencer-Effekt
Bitte tun Sie das nicht! Merken Sie sich das für das digitale Marketing von heute:
- Sexismus: Über das Frauenbild im ersten Werbespot brauchen wir nicht zu reden. Obwohl dies im Kontext der damaligen Zeit ein eher harmloses Beispiel war, wird Sexismus in der Werbung heute zunehmend angeprangert.
- Unüberlegte Markenkooperation: Sein Gesicht der Tabakindustrie zu leihen, ist ein Schritt, den sich ein Prominenter heute sehr gut überlegen würde (abgesehen davon, dass dies in den meisten Ländern werberechtlich nicht mehr möglich ist). Die Entscheidung, welchen Marken (und Branchen) man sein Gesicht/Marke leiht, wird heute sehr viel kritischer hinterfragt und hat im Zweifelsfall deutliche Konsequenzen für den eigenen Erfolg.
Was für Inspirationen können wir aus diesen alten Anzeigen für unser digitales Marketing heute ziehen?
– Geschichtenerzählen: Anzeigen, die eine Geschichte erzählen, funktionieren immer noch am besten! Wenn Dinge schnell erzählt werden müssen (und das ist fast immer der Fall), erfüllen Symbole die Funktion, den Zuschauer schnell in eine bestimmte Welt zu versetzen, wie oben erläutert. Bei den bewegten Medien spielt beispielsweise auch die Musik eine große Rolle.
– Beeinflusser / Sozialer Beweis: Wie Sie hieraus ersehen können, ist der sogenannte„Influencer-Effekt“ sowie „Social Proof“ an sich nichts Neues. In der Vergangenheit wurden sie einfach anders genannt (meist „Testimonial“). Denken wir an all die Prominenten, die in die Kamera gesagt haben: „Weil du es wert bist“, oder „Ich fühle mich schön mit Maybelline Jade“. Ob sie es heute im Fernsehen oder auf Instagram tun, ist an sich egal, solange sie die richtige Zielgruppe erreichen. Anzeigen, in denen vermeintliche Ärzte (hallo, weißer Kittel!) Zahnpasta anpreisen oder Hausfrauen von einem Geschirrspülmittel schwärmen, sind ebenfalls Beispiele für Social-Proof-Kampagnen. Es muss also nicht einmal der Prominente sein.
Wichtiger ist, dass die Person für die Zielgruppe Relevanz und Autorität besitzt.
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