„Irgendwas mit… Marketing“: Für AbsolventUM zurück an die Uni Mannheim

Letzte Woche war ich eingeladen, an meiner ‚Alma Mater‘ wie der Lateiner so schön sagt (wie oft hat man die Chance, dieses Wort zu verwenden? ??), also an der Universität Mannheim, ein wenig Lebens- und v.a. auch Arbeitserfahrung zu teilen.

In „EO 150“, einem Hörsaal, der trotz sonstiger Renovierungen im Schloss ziemlich exakt so aussieht wie damals, als ich gern mal etwas zu spät zur Bilanzierungs-Vorlesung hereinwehte, war ich in bester Gesellschaft: Zum einen natürlich eine ordentliche Menge an StudentInnen, die nach einem langen Tag die Priorität auf ihre Zukunft setzten. Außerdem Frank Schabel, Marketingleiter von Hays Deutschland sowie Gudmund Semb, Vorstand der WOB AG – zu dritt waren wir als Expertenrunde eingeladen worden, um den StudentInnen zum Berufsfeld Marketing Tips aus der Praxis zu geben.

Das Ganze wurde unter dem Titel „Irgendwas mit… Marketing“ sehr nett organisiert von Mara Hielscher und moderiert von Johanna Oswald (beide AbsolventUM Mannheim).
[Links zu allen ganz unten]


Unterschiedliche Perspektiven – hohe Schnittmenge

Mit dem Vorstand eines großen internationalen Marketingunternehmen, dem Deutschland-Marketingleiter einer amerikanischen Corporation sowie der Inhaberin einer Agentur für inhabergeführte Unternehmen / Startups, die selbst im Aufbau ist, hätte man vermuten sollen, unsere Perspektiven seien sehr unterschiedlich.

Interessanterweise war das nicht der Fall: Es gab außerordentlich viel Schnittmenge – wenn natürlich mit Vertiefungen und Priorisierung je nach Background.

Einig waren wir uns z.B. dazu, dass

  • das Berufsfeld Marketing im Zuge der Digitalisierung eher noch viel spannender geworden ist als es das ohnehin schon war
  • Die Zeiten guter Markenbildung nicht vorbei sind, sondern eine Art Wiederentdeckung erfahren
  • Wie wichtig stetiges Dazulernen ist

Und… wie war’s?

Um es für alle interessant zu machen, habe ich hier zwei Bereiche:

  • zum einen Antworten auf Fragen, die die StudentInnen hatten (einzig und allein meine Meinung, kann, aber muss nicht vom restlichen Panel geteilt worden sein),
  • zum anderen weiter unten ein paar Eindrücke dazu, „ob denn diese junge Generation so viel anderes zu sein scheint“, als wir es damals (mein Abschluß datiert auf 1998 zurück! :ghost) waren.

Fragen und Antworten

Für wen wird das Berufsfeld Marketing wohl taugen? Was sollte ich wissen?

? Perfekt für Lern- und Wissens-Junkies.
Wie schon angedeutet war das ein Thema großer Einigkeit: Immer-wieder-neu-hinzulernen-wollen, das ist irre wichtig. WOB Vorstand Gudmund Semb sinngemäß:

Ich muss wissenstechnisch deutlich VOR den Kunden sein, sonst haben wir ja nichts, was wir an den Tisch mitbringen können, das es wert ist, dafür zu bezahlen.

? Nix für Maulscheue.
Gut, das könnte man sich denken – doch vielleicht ist es besser, hier realistisch zu sein. V.a. wenn man Führungskraft in diesem Bereich wird oder auch Unternehmer, ist es ein Arbeitsbereich, der von viel UND guter Kommunikation lebt. Ob im Meeting oder schriftlich – wer nicht wirklich Freude an (professioneller) Kommunikation hat, der wird sich hier wahrscheinlich nicht lange wohlfühlen.

?‍♂️ Am allerbesten auch etwas Philosophischen / Ethischen Überbau / Verantwortungsgefühl.
In dem Maß wie Marketing immer effektiver wird (immerhin läßt sich online quasi alles Split-testen), steigt die Gefahr des Mißbrauchs – denkt bitte mal an das Thema Cambridge Analytics / USA Wahlen / Facebook Bubbles / Twitter Bots. Frank Schabel z.B. nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung täglich – und doch bleibt er in seinem Blog kritisch.

In ein paar Wochen werde ich selbst einen Vortrag halten darüber, welche ungeheure Verantwortung im Product Development in Kombination mit den Möglichkeiten von KI (Künstliche Intelligenz) einhergeht.

Marketing und Kommunikation sind mächtige Instrumentarien – sie sollten besser von Menschen eingesetzt werden, die eine moralische Instanz in sich verspüren.

? Nicht (nur) so kreativ wie Ihr denkt.

Marketing ist und wird immer analytischer.

Gerade wenn Ihr strategisch / zum großen Bild beitragen wollt, solltet Ihr in der Lage sein, Analytics aller Art klug zu interpretieren. Kann sein, dass Euch das demnächst auch die Software abnimmt, doch Stand jetzt ist das noch nicht der Fall.

An sich ist das eine gute Sache: Zahlen machen (strategisches, kluges) Marketing erst richtig spannend. [schaut ggfs. mal hier rein: Wunderman-Studie: Zwei Drittel aller Unternehmen können aus Daten keine Marketing-Maßnahmen ableiten]

? Gnadenloser als viele meinen.
Viele denken, der Marketingmensch ist der, der zu den coolen Events eingeladen wird, in der VIP Lounge sitzt und die Preise verliehen bekommt. Das stimmt schon. Ganz manchmal.

Letztlich ist das Marketing (zusammen mit Vertrieb / Sales) dafür da, die Ergebnisse in Form von Geld, Umsatz, möglichst gutem nachhaltigem Profit abzusichern. Das ist gnadenlos – wenn die Ergebnisse nicht stimmen, kann der Job auch mal weg sein.

Andererseits sind gute Ergebnisse natürlich DER Renner.

Tipp: Prüf mal ab, ob Du mit diesem Risiko-/Chancenprofil gut umgehen kannst bzw. sogar Spaß dran hast.


Was können wir tun, um uns gut vorzubereiten?

(auf eine Bewerbung bzw. um im Marketing Arbeitsleben erfolgreich zu sein?)

✅ Nutzt das irre Angebot im Netz.
Abonniert v.a. auch englischsprachige Newsletter, nutzt die Fülle an TedEx Talks um Euch in Sachen Life Skills inspirieren zu lassen. Evlt. legt Euch Google Alerts zu den großen Trendthemen an und baut Euch so eine Art maßgeschneiderte Informations-Maschine.

✅ Erlaubt Euch mehr Zeit und Trial & Error, um rauszufinden, was Euch liegt.
Nicht jedes Praktikum kann gleich auf den Punkt dessen kommen, was für Euch perfekt ist. Ja, Ihr fühlt Euch heute unter Druck, I know, aber am Ende des Tages kräht kein Hahn nach dem halben Jahr länger studiert, wenn der Abschluss gut ist – und v.a. Ihr was könnt! 🙂

✅ Geht nicht zu früh zu spitz.
Wer von der Uni kommend von Marketing insgesamt noch wenig Ahnung hat, der braucht erstmal Überblick. Ja, Content Marketing z.B. ist ein wichtiges Teilthema, ein großer Trend – und dennoch kann er auch schnell wieder vorbei sein. Wer sich vor Jahren z.B. nur auf SEO spezialisiert hätte, der wäre auch rasch wieder raus.

✅ Be a Pro.
Sei vorbereitet. Investier Dich. Sei nicht geizig mit Deiner Zeit und Deiner Bereitschaft, Dich reinzuhängen. Die ersten 5 Jahre im Berufsleben bist Du wahrscheinlich vor allem das: Lernender. Das kann sich später verschieben, in gewissem Maß ist etwas Anfängerdemut in Zeiten so raschen Wandels immer gut. Lass über diese entscheidende Mail einen schlauen Mensch drüber schauen, oder eben noch jemanden. Bereite Dich gründlich auf Termine für. Tu nicht einfach nur ‚was man Dir sagt‘, sondern was notwendig ist, um hilfreich beitragen zu können. Wenn das heißt, jeden Morgen eine Stunde früher was vorzubereiten – so be it.

✅ Denk Kunde.
Wenn Du Dich wo bewirbst, wirst Du wahrscheinlich keine „Dinosaurier“ mehr vor Dir haben – oder doch?

In jedem Fall ist es wichtig, darüber vorher eine Einschätzung zu gewinnen.

Betreib über LinkedIn und Xing etc. etwas Recherche, wer in der Marketingabteilung das Sagen hat, was für eine Sorte Mensch da arbeitet.

? Sei ein Detektiv – wer war mit wem auf welcher Universität? Wie sieht die Führungsstruktur aus? Du weißt nie, welche Detail-Information später wo nützlich werden kann. Sieh es auch als Möglichkeit, das ‚Terrain‘ besser kennenzulernen.

? Übrigens…wenn kein Mensch online zu finden ist, ist das sicher auch schon eine Aussage.

? Die allermeisten Unternehmen wollen nicht wirklich mehr die Bewerbung in Schriftform – wir müssen sie nur datensicher entsorgen – und wir sind einfach nicht scharf drauf.

? Mach Deine Bewerbung online angenehm ‚verdaulich‘. Eine gut geschriebene knackige E-Mail, die klar macht, dass Du weißt, was das Unternehmen tut, wie Du dazu beitragen kannst und willst – und anbei ein gut gemachtes PDF. Voilà. Bei progressiveren ‚Läden‘ und je nach Thema kann es mal ein Video sein.

✅ Lern schreiben.
Sich schriftlich ausdrücken zu können, ist ein wesentliches Werkzeug, um zu reflektieren, Gedanken weiterzuentwickeln, zu strukturieren, zu konzipieren, zu führen. Hier findest Du schon mal etwas mehr konkrete Anregungen dazu.

✅ Ja, Englisch muss.
Als ich damals meine Diplomarbeit schrieb, ging sie u.a. darum, ob Englisch bereits so sehr ‚Lingua Franca‘ (also eine allgemeine Verständigungsform) geworden war, dass man guten Gewissens mit den Endkunden auf Englisch kommunizieren kann. Nun, das ist nach wie vor nicht ganz der Fall, doch fürs Geschäftsleben solltest Du mit gutem Englisch gerüstet sein. Das muss ja kein Auslandsjahr an einer ausländischen Universität sein, ein paar Monate echte Arbeitserfahrung tut es (wahrscheinlich) auch.

✅ Probiert was aus.
Ohne allzuviel Zielerfüllungsdruck. Grade jetzt gibt es wirklich keine gute Ausrede mehr, warum jemand, der schreiben will, der Journalist werden will, nicht einfach mal einen Blog oder einen Insta Account hat. Das ist das Zeitalter der Creators. Die gute alte Kreativität will zurück – und sie braucht auch Euch, um genutzt zu werden.

Und hört mal bei „Wear Sunscreen“ rein. 🙂

✅ Stress Dich nicht so darüber, alles schon geplant zu haben.
Das war etwas, das WOB Vorstand Gudmund Semb betonte.

Legt doch einfach mal los. Man kann nicht alles planen.

Life is what happens while you are busy making other plans. – John Lennon

Seid auch mal offen für die Opportunität, die Euch vor die Füße fällt (und vertraut ein wenig auf den Spruch von Tiger Woods „The more I train, the luckier I get.“)

✅ Gleichzeitig gestalte / wähle bewußt.
Aus meiner Sicht braucht es allerdings zu diesem Part des „Geschehen-Lassens“ auch die Balance – aktiv gestaltend einzugreifen. Sonst endet man leicht Anfang Dreißig in etwas, das optisch hübsch aussieht, sich aber innen hohl anfühlt.

Success without fulfillment is the ultimate failure. – Tony Robbins

Letztlich formt sich Dein Leben entlang von vielen kleinen Entscheidungen und Handlungen. Selten gibt es DIE große Wegscheide.

Wenn doch mal so eine erreicht ist, wäre mein Tip, im Zweifel die mutigere Variante zu wählen, wahrscheinlich am beten die Unbequemere. Warum? Weil unser Reflex zu 90% in die andere Richtung geht – in das Bekannte, das Bequeme.


Was die Nicht-StudentInnen vielleicht interessiert:

Ist die junge Generation wirklich so anders?

Den Eindruck hatte ich nicht. Gar nicht. Teilweise sehen die Menschen sogar fast genauso aus, wie die Menschen, die damals mit mir studiert haben.

Ähnlich wie wir damals wollen sie natürlich was aus ihrem Leben machen – herauszufinden, wie das geht, ist gar nicht so einfach. Das war es bei uns auch nicht. Ganz viel davon fängt natürlich damit an, herauszufinden, wer man selbst eigentlich ist, was einem liegt und was nicht. „Womit kann ich mich noch arrangieren – was ist eine echte Außenkante und nicht verhandelbar?“

Ähnlich wie bei uns damals sind diejenigen, die an einer solchen Veranstaltung teilnehmen natürlich ohnehin eher diejenigen, die den Hintern selbst hochkriegen. Diejenigen, die was für ihre Zukunft tun und derzeit ’nur‘ hoffen müssen, dass die Rechnung auf etwas ausgeht, das ihnen entspricht.

Dass das in den letzten Jahren implementierte Bachelor / Master System hilfreich dafür ist, den Eindruck habe ich nicht. Viele fühlen sich davon gehetzt. Das taten sie allerdings bei uns damals auch. 😉

Den Unterschied sehe ich darin, dass bei uns ziemlich klar war, dass ein Abschluss der Universität Mannheim – sei es Diplom oder Magister – in sich eine Wertigkeit hat, die sich beim Eintritt ins Arbeitsleben auszahlen wird. Darüber sind sich die StudentInnen, die erstmal ’nur einen BA‘ machen, scheinbar nicht so sicher. Ob zu Recht, kann ich nicht beurteilen – ich halte es für möglich, dass das ein Problem werden könnte – auf Seiten der Arbeitgeber genauso wie der StudentInnen.

Immerhin leben und arbeiten wir hier in Deutschland in einer anderen Kultur als derjenigen, aus der das BA / Master System kommt. Wer schon mal im Berufsleben angekommen ist… wird er / sie wieder zurück an die Uni zu gehen, um noch den Master zu machen… wer kann oder will sich das erlauben? Und werden sie gelassen werden? Werden sie freudig wieder im Arbeitsleben aufgenommen? Kann sich ihr Invest in einen Master auch hier in Deutschland ‚rechnen‘? Was, wenn nicht?


Plötzlich war’s 21:30.

Danach saß ich in good old Monnem beim Thai. Ein Schwulenpärchen mit Tatoos räumte mir unter Scherzen den Tisch frei von ihren üppig verzierten Jacken, blieb an der Bar auf ein Schwätzchen hängen mit dem Inhaber, der aussah, als müsste er der Inhaber eines italienischen Restaurants sein (was er ggfs auch parallel ist).

Ein paar Tische weiter eine Gesellschaft von End-30er Pärchen in unterschiedlichsten Körpergrößen- und Formen, der Style bunt gemischt zwischen „habe nie auf mein Outfit geachtet – was ist das?“ über „natürlich trage ich eine Art Osterei im Ohr“ bis hin zu „klar trage ich eine gebügelte weiße Bluse – wie immer“.

Der ganze Trupp wischt sich gerade die Lachtränen aus den Augen – die Story des Osterei-Menschen, in der er sich herzhaft über sich selbst und seine Angst vor dem Älterwerden lustig gemacht hat, war einfach ZU gut.

Ich nehme einen Schluck vom gut gekühlten Rivaner. Während ich die erste Gabel höllisch scharfes Hähner-Curry in den Mund schiebe, seufze ich lächelnd:

„Tja, Mannheim, halt.“

und freue ich mich, dass ich hier in die ‚Schule‘ gehen durfte.

Die wahre Schule ist das Leben

– darauf wies Professor Raffèe (unser legendärer ‚Marketing-Prof‘) gern hin und riet uns ‚Jungen‘, dass Marketingleute raus ins Leben müssen und nicht nur im Büro kleben dürfen.

Nun.

Will sagen: Das Mannheimer Leben in Kombi zur Universität Mannheim dürfte auch heute noch eine ganz gute Ausstattung hergeben in Sachen Innovation und Diversität, liebe Mannheimer StudentInnen. 🙂

Viel Erfolg und ein erfüllendes Arbeitsleben für Euch – stay bold!


Links zu erwähnten Menschen / Blogs:

Fotos: Alle – außer dem Header Bild – von Christos Sidiropoulos (der 70’s Vintage Filter schien dem Thema angemessen ?).

Kristin Reinbach

Als Inhaberin von OVERW8 und mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Marketing denkt sie ständig in "Kunde", "Marke" und Geschäftsmodellen. Ständig meint: Beim Essengehen. Auf der Skihütte. Beim Winzer... Letztlich also nur logisch, dass sie mit diesem Know-How unternehmerisch handelnde Menschen und Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Marken-, Kunden- und Unternehmenswert tatkräftig unterstützt.

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